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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.07.2007
Aktenzeichen: 7 U 195/06
Rechtsgebiete: BGB, InsO, HGB
Vorschriften:
BGB § 138 | |
BGB § 138 Abs. 1 | |
BGB § 398 | |
InsO § 51 Nr. 1 | |
InsO § 133 Abs. 1 | |
InsO § 133 Abs. 1 Satz 1 | |
InsO § 170 Abs. 1 Satz 2 | |
HGB §§ 246 ff. |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
7 U 195/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 25. Juli 2007
verkündet am 25. Juli 2007
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2007 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Fischer und die Richterin am Oberlandesgericht Gieseke
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Oktober 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten in deren Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Herrn B... U... (im Folgenden: Schuldner) die Auskehrung des aus einer Lebensversicherung des Schuldners eingezogenen Guthabens.
Der Schuldner betrieb als Einzelkaufmann ein Metallbauunternehmen in F.... Die Klägerin unterhielt mit dem Schuldner - sowohl als Privatperson als auch als Unternehmer - mindestens seit 2001 laufende Geschäftsbeziehungen.
Die Klägerin gewährte dem Schuldner mit Vertrag vom 15. Mai 2001 einen Betriebsmittelkredit über 250.000,00 DM, der ursprünglich bis zum 15. Dezember 2001 vollständig zurückgeführt sein sollte. Dieser Kreditvertrag ist sodann unter dem 21. September 2001 bis zum 31. März 2002 und weiter unter dem 17. September 2002 auf unbestimmte Zeit prolongiert worden.
Am 30. September 2003 (Bl. 139 d.A.) wurde dem Schuldner im Zuge einer Umschuldung ein in monatlichen Raten zurückzuzahlender Kredit über 127.000,00 EUR gewährt, der in dem aus Bl. 140 d.A. ersichtlichen Umfang, unter anderem auch durch Abtretung der Rechte aus der Lebensversicherung Nr. 6916884.1 des Schuldners bei der ... Lebensversicherungsverein a.G. abgesichert wurde. Am selben Tage wurde mit dem Schuldner zur laufenden Finanzierung ein Kreditrahmenvertrag über 124.000,00 EUR abgeschlossen und auch dieses Kreditengagement in dem vorgenannten Umfang und zusätzlich durch eine Ausfallbürgschaft der Bürgschaftsbank ... GmbH in Höhe von 73.000,00 EUR abgesichert (Bl. 136 d.A.).
Am 27. Mai 2004 stellte der Schuldner Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dem das Amtsgericht Cottbus, Az. 63 IN 268/04, zu einem nicht bekannt gewordenen Zeitpunkt entsprochen hat. Im Hinblick auf diesen Insolvenzantrag kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 1. Juni 2004 die Geschäftsbeziehung zum Schuldner fristlos und stellte Forderungen aus 12 Konten im Gesamtumfang von 504.261,10 EUR fällig (Bl. 214 d.A.).
Die Beklagte hat den Rückkaufswert der dem Schuldner aus der Lebensversicherung Nr. 6916884 bei der ... Lebensversicherungsverein a.G. erwachsenen Ansprüche in Höhe von 41.280,00 EUR im Herbst 2004 eingezogen und verweigert die Auskehrung an die Klägerin mit der Argumentation, die Abtretung sei wegen Übersicherung gemäß § 138 BGB nichtig, jedenfalls aber nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die Klägerin habe schon seit 2001 um die prekäre finanzielle Situation des Geschäftsbetriebes des Schuldners, der jedenfalls seit 2002 bilanziell überschuldet gewesen sei, gewusst und die deshalb hoch riskante Kreditierung durch Hereinnahme übermäßiger Sicherheiten zu Lasten der übrigen Gläubiger vorgenommen.
Das Landgericht hat die Beklagte nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Insolvenzschuldners und der Kreditsachbearbeiterin der Klägerin antragsgemäß verurteilt.
Gegen das ihr am 6. November 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 4. Dezember 2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am Montag, den 8. Januar 2007, eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte erstrebt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die vollständige Klageabweisung.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.
II.
Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass der Klägerin ein Zahlungsanspruch in Höhe von 41.282,00 EUR aus § 398 BGB, §§ 51 Nr. 1, 170 Abs. 1 Satz 2 InsO zusteht. Die Abtretungsvereinbarung vom 30. September 2003 ist weder wegen anfänglicher Übersicherung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig (dazu 1.) noch nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar (dazu 2.).
1.
Die von Anfang an bestehende Übersicherung lässt das zu Grunde liegende Geschäft als sittenwidrig und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig erscheinen, wenn es im Zeitpunkt seines Abschlusses nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Dies setzt zum einen eine tatsächliche Übersicherung und zum anderen eine verwerfliche Gesinnung des Sicherungsnehmers voraus (BGH NJW 1998, 2047).
Eine ursprüngliche Übersicherung liegt vor, wenn bereits bei Vertragsschluss sicher ist, dass im noch ungewissen Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung bestehen wird. Dabei hilft keine Vermutung, dass dem Sicherungsinteresse des Gläubigers durch einen Abschlag von einem Drittel vom Nennwert abgetretener Forderungen ausreichend Rechnung getragen wird. Diese Grenze ist nur für das Entstehen eines Freigabeanspruchs wegen nachträglicher Übersicherung maßgeblich. Zu der Feststellung anfänglicher Übersicherung, die sehr viel weitreichendere Wirkungen haben kann, vermag sie nichts beizutragen. Entscheidend ist der realisierbare Wert nach den ungewissen Marktverhältnissen im Falle einer Insolvenz des Schuldners. Dieser Wert lässt sich nur anhand der besonderen Verhältnisse des Einzelfalls in tatrichterlicher Verantwortung - ggf. mit sachverständiger Hilfe - ermitteln. Bewertungsrisiken und -unschärfen ist dabei angemessen Rechnung zu tragen (BGH WM 1998, 248/250; BGH NJW 1998, 2047).
Im konkreten Fall kann ein solches auffälliges Missverhältnis zwischen der gesicherten Forderung und dem realisierbaren Wert der gestellten Sicherheiten als Voraussetzung einer sittenwidrigen anfänglichen Übersicherung mangels hinreichend substantiierten Sachvortrages der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht festgestellt werden. Allein der wiederholte Hinweis auf ein "extrem großes Missverhältnis zwischen der Bereitstellung der Kreditsumme von € 73.000,00 und der hierfür gegebenen Sicherheiten" (zuletzt Schriftsatz der Beklagten vom 9. Juli 2007, Bl. 372 d.A.) mit einem Nominalwert von mindestens 1,49 Mio. EUR genügt zur Darlegung einer tatsächlichen Übersicherung aus mehreren Gründen nicht (vgl. dazu BGH NJW-RR 2003, 1490/1492).
(a)
Schon die Darstellung der Beklagten zur Höhe der im Zeitpunkt der streitbefangenen Abtretungsvereinbarung zu sichernden Forderung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Die Beklagte stellt stets nur auf die am 30. September 2003 neu bereitgestellte Kreditsumme ab, die sie - tatsächlich unbestritten - mit 73.000,00 EUR beziffert. Dabei übersieht die Beklagte jedoch, dass mit den aus Anlass der Kreditverträge am 30. September 2003 neu hereingenommenen Sicherheiten zumindest auch der an diesem Tage in ein - in festen monatlichen Raten rückzahlbares - Darlehen über 127.000,00 EUR umgeschuldete Betriebsmittelkredit über ursprünglich 250.000,00 DM und ein Kontokorrentkredit über insgesamt 124.000,00 EUR und gerade nicht allein der Aufstockungsbetrag von 73.000,00 EUR abgesichert worden sind. Allein daraus ergibt sich ein zu besicherndes Forderungsvolumen von 251.000,00 EUR.
Es kommt hinzu, dass nach den am 30. September 2003 abgeschlossenen Kreditverträgen, dort Ziffern 4 bzw. 6, "alle der Bank zustehenden Sicherheiten (...) alle bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung mit dem Darlehensnehmer (sichern)" (Bl. 136/140 d.A.), der Sicherungszweck über die an jenem Tage vereinbarten Darlehen also noch hinausgehen kann - und nach den im Prozess eingereichten Unterlagen auch tatsächlich hinausgegangen ist. Es hat nämlich mindestens einen weiteren Privat-Kredit für das - wohl im Eigentum des Schuldners und seiner Ehefrau stehende - Wohn- und Geschäftshaus gegeben, der im Herbst 2003 noch nicht vollständig getilgt war. Die Beklagte selbst hat ferner eingeräumt, dass die unter anderem auch als Sicherheit für die Verträge vom 30. September 2003 gewährte Grundschuld über 600.000,-- DM "noch als Sicherheit für weitere Kredite der Firma U... sowie der Finanzierung des Wohn- und Geschäftshauses der Familie U... diente" (Schriftsatz vom 8. Mai 2006, Bl. 205 d.A.).
Es bleibt allerdings offen, wie hoch die Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners bei der Klägerin am 30. September 2003 gewesen sind. Damit aber fehlt bereits eine wesentliche Grundlage für die Feststellung einer tatsächlichen Übersicherung.
(b)
Es fehlt daneben an einer hinreichend substantiierten Darstellung zur Werthaltigkeit der am 30. September 2003 bestellten Sicherheiten.
Es ist zwar richtig, dass sich der bei Eintritt des Sicherungsfalls realisierbare Wert unbekannter künftiger Forderungen gegen nicht bekannte Drittschuldner nicht bestimmen lässt (BGH, Gr. Senat, NJW 1998, 671/676 m.w.N.), also die Werthaltigkeit der in den Verträgen vom 30. September 2003 unter anderem genannten Globalzession möglicherweise nicht näher dargelegt werden kann. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für die im Streitfall sonst bestellten Sicherheiten, hier die Grundschuld, die Rechte aus den Lebensversicherungen, Bürgschaften und insbesondere die Abtretung von auf insgesamt 1.181.265,42 EUR bezifferten verschiedenen Forderungen des späteren Schuldners aus Lieferungen und Leistungen, die entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit ihrem Nominalwert berücksichtigt werden können.
Allein der Hinweis auf die Bonität der im weitesten Sinne der öffentlichen Hand zuzuordnenden Auftraggeber trägt den von der Beklagten daraus gezogenen Schluss, es handele sich "um sicher einbringliche Forderungen" (Bl. 205 d.A.), die für die Frage einer tatsächlichen Übersicherung mit ihrem Nominalwert anzusetzen seien, schon deshalb nicht, weil der in der Insolvenz zu erzielende Verwertungserlös bei Forderungen gerade nicht mit deren nennwert identisch, sondern erfahrungsgemäß fast immer wesentlich niedriger ist (vgl. BGH, Gr. Senat, NJW 1998, 671/675). Gegen abgetretene Forderungen von Schuldnern in der Krise bestehen nämlich häufig durchgreifende Einwendungen. So machen selbst vermeintlich sichere Drittschuldner möglicherweise erfolgreich Gewährleistungs- oder Zurückbehaltungsrechte geltend. Die Bruttoauftragssumme ist bei Werkverträgen, die den im Streitfall abgetretenen Forderungen insgesamt zu Grunde liegen dürften, regelmäßig auch ohne Eintritt des Sicherungsfalles schon deshalb nicht zu erzielen, weil vielfach Gewährleistungseinbehalte vereinbart werden. Es ist mit Rücksicht auf die zur Akte gereichten Bilanzen ferner davon auszugehen, dass es sich bei den abgetretenen Forderungen um die Umsatzerlöse nahezu eines gesamten Geschäftsjahres handelt. Dies rechtfertigt allerdings die Vermutung, dass die aus dem zu Grunde liegenden Werkvertrag resultierenden Gesamtforderungen gegen die einzelnen Drittschuldner ohne jede Rücksicht darauf abgetreten worden sind, wann diese im Einzelnen entstanden sind oder entstehen werden. Es ist in der Baubranche weit verbreitet, nach Baufortschritt Abschlagsrechnungen zu legen, die der Auftraggeber - ein ungetrübtes und ordnungsgemäß verlaufendes Vertragsverhältnis unterstellt - mindestens weitgehend ausgleichen wird. Dadurch könnte ein nicht unerheblicher Teil des Gesamtwerklohns bereits vor Eintritt des Sicherungsfalles an den Schuldner auszuzahlen sein, was für sich betrachtet die Werthaltigkeit der sicherungshalber abgetretenen Forderung schmälert. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch denkbar, dass die hier sicherungshalber abgetretenen Forderungen noch gar nicht entstanden waren, die Einbringlichkeit also von einem wie auch immer gearteten Baufortschritt in der weiteren Zukunft oder gar der Fertigstellung der vom Schuldner geschuldeten Lieferungen und Leistungen abhängig waren und diese Leistungen in der Krise gar nicht mehr erbracht werden können, weil der Schuldner zur Vorfinanzierung nicht mehr in der Lage ist. Auch in einem solchen Fall hilft die allgemeine Bonität des zur Werklohnzahlung nicht mehr verpflichteten Drittschuldners nichts.
Die vorstehend genannten Unwägbarkeiten für die Einbringlichkeit der sicherungshalber abgetretenen Werklohnforderungen lassen erkennen, dass für die Frage der Werthaltigkeit solcher Ansprüche nicht einfach auf das Auftragsvolumen oder die Person des Auftraggebers abgestellt werden kann.
Allein der Umstand, dass die bestellten Sicherheiten die zu sichernden - im Streitfall der Höhe nach auch schon nicht sicher festzustellenden - Forderungen im Nennwert um ein Vielfaches übersteigen mögen, konnte die Beklagte nicht von der Darlegung zur Werthaltigkeit der abgetretenen Forderungen und Rechte entheben. Ein krasses Missverhältnis als Voraussetzung einer sittenwidrigen ursprünglichen Übersicherung kann nach alledem nicht festgestellt werden.
2.
Der Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung vom 30. September 2003 steht auch § 133 Abs. 1 InsO, der einzige im Streitfall in Betracht zu ziehende Anfechtungstatbestand, nicht entgegen.
Der von dem Schuldner im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den Kreditverträgen vom 30. September 2003 mit der Klägerin geschlossene Sicherungsvertrag, mit dem der Schuldner seine Ansprüche gegen die ... Lebensversicherungsverein a.G. aus dem Versicherungsvertrag Nr. 6916884 abgetreten hat, ist als der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO grundsätzlich zugängliche Rechtshandlung des Schuldners zu qualifizieren. Die Abtretungsvereinbarung ist innerhalb von 10 Jahren vor dem am 27. Mai 2004 gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen worden. Auch die stets erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung liegt - die Anfechtbarkeit der Abtretung im Übrigen vorausgesetzt - vor, denn die zur Befriedigung der übrigen Gläubiger zur Verfügung stehende Masse ist um den Betrag verkürzt, hinsichtlich dessen die Klägerin aufgrund der zu ihren Gunsten vorgenommenen Sicherungsabtretung ein Absonderungsrecht an dem Rückkaufswert der Lebensversicherung beanspruchen kann.
Im Streitfall könnte im Hinblick auf die Inkongruenz der Deckung zwar noch der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners festzustellen sein (a). Dies gilt aber jedenfalls nicht mehr für die nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ferner erforderliche Kenntnis der Klägerin von diesem Vorsatz des Schuldners (b).
(a)
Mit der sicherungshalber erfolgten und vorliegend angefochtenen Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung hat die Klägerin eine inkongruente Sicherung erhalten.
Eine Rechtshandlung führt zu einer inkongruenten Deckung, wenn sie einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (vgl. § 131 Abs. 1 InsO). Wird ein Anspruch auf Sicherung in demselben Vertrag eingeräumt, durch den der gesicherte Anspruch selbst entsteht, liegt in der späteren Gewährung der Sicherheit keine inkongruente Deckung, weil von Anfang an ein Anspruch auf die Sicherung bestand. Wird hingegen eine bereits bestehende Verbindlichkeit nachträglich besichert, kann dies inkongruent sein (st. Rspr., vgl. BGH BB 2004, 1411/1412 m.w.Nw.). Wird für einen Kredit eine Sicherung gegeben, die zugleich das dafür ausbezahlte Darlehen und ältere Ansprüche des Gläubigers abdecken soll, handelt es sich um ein insgesamt inkongruentes, in vollem Umfang anfechtbares Deckungsgeschäft (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 238/240).
Im Streitfall sind die Ansprüche des Schuldners aus der Lebensversicherung zur Sicherung der am 30. September 2003 vereinbarten Darlehensverträge über 127.000,00 EUR und über 124.000,-- EUR abgetreten worden, nach den weiter einbezogenen Geschäftsbedingungen zugleich aber auch für sonstige bereits bestehende Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsbeziehung zum Schuldner (vgl. oben unter 1.a).
Die sich aus der Ausdehnung des Sicherungszwecks auf Altverbindlichkeiten des Schuldners ergebende Inkongruenz ist ein starkes Beweisanzeichen für eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners und in jedem Falle dann verdächtig, wenn auf Seiten des Schuldners bei Vornahme der Rechtshandlung eine Zahlungsschwäche mit dem zumindest ernsthaften Risiko bevorstehender Zahlungsstörungen oder -stockungen bestand, weil sich damit die Gefährdung der anderen Gläubiger aufdrängt (vgl. BGH ZIP 2005, 772).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen für die Feststellung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht seitens des Schuldners kann letztlich dahinstehen, weil jedenfalls nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin um einen solchen Vorsatz des Schuldners wusste.
(b)
Zwar ist die Kenntnis des Anfechtungsgegners um die Inkongruenz der Deckung, die vorliegend angenommen werden muss, weil die Klägerin jedenfalls die Tatsachen bekannt waren, die hier den Rechtsbegriff der Inkongruenz ausmachen, ein starkes Beweisanzeichen auch für die Kenntnis desselben von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Voraussetzung ist dabei aber, dass aus der Sicht des Anfechtungsgegners ernsthaft Anlass bestanden hat, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln (vgl. dazu BGH ZIP 2004, 1061/1062). Diese Voraussetzung kann im Streitfall allerdings nicht sicher festgestellt werden, weil die dafür durchaus auch vorliegenden Anhaltspunkte für den hier interessierenden Zeitpunkt letztlich nicht hinreichend tragfähig sind.
Für den Zeitpunkt des Abschlusses der nicht datierten, wohl aber in engem zeitlichen Zusammenhang zu den Darlehensverträgen vom 30. September 2003, mithin etwa acht Monate vor dem Insolvenzeigenantrag, erfolgten Sicherungsabtretung ist zur wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin, insbesondere einer Zahlungseinstellung oder einer Zahlungsunfähigkeit konkret nichts vorgetragen. Die Beklagte beschränkt sich vielmehr darauf, auf die zur Akte gereichten Bilanzen für die Zeit von 1999 bis einschließlich 2002 zu verweisen, in denen tatsächlich jeweils ein negatives Eigenkapital von rund 200.000,00 EUR, zuletzt 262.248,00 EUR ausgewiesen sind. Allerdings ist unstreitig, dass die Bilanz für das Jahr 2002 im Zeitpunkt der streitbefangenen Sicherungsabtretung noch nicht erstellt war. Nach dem - von der Beklagten insoweit unwidersprochen gebliebenen (vgl. Schriftsatz vom 12.212.2005, Bl. 137 f. d.A.) - Vorbringen der Klägerin war Grundlage der in Rede stehenden Vertragsabschlüsse "die als Vorabexemplar vorliegende Bilanz 2002, die am 8.3.2003 der Klägerin übergeben wurde" und einen "Gewinn von 119.000 €" ausgewiesen habe (vgl. Klageschrift vom 23. März 2005, Bl. 3 d.A.).
Auf der Basis der danach für die Klägerin vorliegenden Erkenntnisse ist zwar weiterhin davon auszugehen, dass auch zum Ende des Jahres 2002 die bilanzielle Überschuldung nicht vollständig hat beseitigt werden können. Dies allein bietet jedoch aus mehreren Gründen keinen tragfähigen Beweis für die Kenntnis der Klägerin von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Zum einen ist die Handelsbilanz nach §§ 246 ff. HGB wegen der formalisierten, den wahren Wert der darin eingestellten Aktiva und Passiva nur unzureichend widerspiegelnden Bewertungsgrundsätze von vornherein ungeeignet, zur Feststellung eines Überschul-dungsstatus zu dienen. Zum anderen war auf der Grundlage der der Klägerin vorgelegten Zahlen immerhin erkennbar, dass der Umfang des negativen Eigenkapitals im 2. Geschäftsjahr in Folge nicht unerheblich würde zurückgeführt werden können. Hinzu kam die unstreitig gute Auftragslage der Schuldnerin, die zwar - wie die Beklagte mit Recht ausführt - noch nichts über die Wirtschaftlichkeit des unternehmerischen Handels aussagt, für sich betrachtet aber auf der anderen Seite auch ebenso wenig Anlass zu nachhaltigem Misstrauen in den Fortbestand des Unternehmens bietet. Schließlich nötigt auch die Neukreditierung von 73.000,00 EUR bei gleichzeitiger Vereinbarung der Rückzahlung eines bis dahin unbefristeten, also nicht fällig gestellten Betriebsmittelkredits über 127.000,00 EUR nicht zu der begründeten Annahme, der Schuldnerin drohe in absehbarer Zeit die Zahlungsunfähigkeit. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass nicht allein die Klägerin, sondern auch die in die Verträge vom 30. September 2003 involvierte Bürgschaftsbank des Landes ... offensichtlich keinen Anlass gesehen hat, an der Liquidität der Schuldnerin ernstlich zu zweifeln. Tatsächlich ist der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führende Eigenantrag der Schuldnerin auch erst acht Monate später gestellt worden.
Nach alledem sind die zwar durchaus vorhandenen Anzeichen für eine wirtschaftliche Schieflage der Schuldnerin im hier interessierenden Zeitpunkt im September 2003 nicht so zwingend, dass darauf bereits die - dann von der Klägerin zu entkräftende - Vermutung der Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht gestützt werden könnte. Umso weniger kann eine Kenntnis der Klägerin von Umständen, aus denen sich die ernsthafte Besorgnis bevorstehender Zahlungskürzungen oder -stockungen auf Seiten des Schuldners ergibt, positiv festgestellt werden. Dann aber fehlt es an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Absichtsanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, die deshalb vorliegend nicht durchgreifen kann.
Im Ergebnis dessen ist die Beklagte zur Auskehrung des nicht nur nach Maßgabe des § 138 BGB wirksam, sondern auch insolvenzfest von der Klägerin erworbenen Rückkaufswerts der in Rede stehenden Lebensversicherung im Umfang von 41.282,00 EUR verpflichtet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 41.282,00 EUR.
Ende der Entscheidung
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